Esra Ersen

Die in Berlin lebende Künstlerin Esra Ersen spürt in ihrer Installation When Thinking Some Play with the Mustache, Others Cross Arms den Erinnerungslücken und weißen Flecken in der Geschichte Bulgariens nach.

Auf den Pfaden osmanischer Balkanreisender des frühen zwanzigsten Jahrhunderts besucht Esra Ersen die bulgarische Hauptstadt Sofia. In Gesprächen mit Wissenschaftlern und Künstlern, bei Besuchen von Archiven und Museen erfährt sie von der Gegenwärtigkeit historischer Narrative und Stereotypen. Ihre Suche gilt den Brückenpunkten der Wahrnehmung zwischen Erfühltem, Erlebtem und Vergangenem.

Bulgarien, das seine Unabhängigkeit vom osmanischen Reich in mehreren Schritten ab den späten siebziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts erlangte, hat in seiner offiziellen Erinnerungskultur wenig Platz für "die 500 Jahre unter dem osmanischen Joch". Die Selektion von Geschichte als Grundbedingung identitärer Selbstverortung finden wir bei jedem nationalen Neubeginn, so auch bei der Gründung der türkischen Republik, der Nachbarnation und Rechtsnachfolgerin des osmanischen Reiches. Die Fundstücke und Geschichten, die Esra Ersen zusammenträgt, scheinen kurios, geben aber einen Einblick in eine europäische Vergangenheit, der ein Ausblick auf ein supranationales Europa sein kann.

Ersens Arbeit baut teilweise auf einer vorausgehenden Zusammenarbeit mit Leyla von Mende auf, die am Zentrum Moderner Orient über Repräsentationen des post-osmanischen Südosteuropa in osmanischer Reiseliteratur promoviert.
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When Thinking Some Play with the Mustache, Others Cross Arms, HD Video (31'), 2013, Ausstellungsansicht Foto von (c) Mike Terry

BIO

Voll heiterer Subversion basiert Esra Ersens Arbeit auf einer empirischen und analytischen Untersuchung sozialer Situationen in Auseinandersetzung mit Kultur, Mythen, Riten und Wirtschaft. Sie wendet eine Methodologie von Mikro-Events an, die sie Dokumentarfilmen und anthropologischer Forschung entlehnt. Stets untersucht sie die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft und hebt dabei hervor, wie Identitäten geformt und verändert werden und wie die Wahrnehmungen und gefestigten Klischees anderer unsere Selbstwahrnehmung beeinflussen. Egal ob sie das Medium Fotografie, Performance, Video oder Installation einsetzt, Ersen reagiert meist auf oder nutzt die spezielle Umgebung, in der sie sich gerade befindet, um ihren Untersuchungen Form zu geben. Sie hat an der 4. und 8. Istanbul Biennale, der 4. Kwangju Biennale; Manifesta 4 (der europäischen Biennale für Gegenwartskunst); der 4. Liverpool Biennale sowie der 27. São Paulo Biennale teilgenommen.
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