Anissa Michalon

Seit 10 Jahren begleitet die französische Künstlerin Anissa Michalon Migranten aus Mali, die in einem Foyer (Gastarbeiterwohnheim) am Rande von Paris leben. Im Rahmen dieser Arbeit hat sie auch die Familien der Migranten in ihren Dörfern in der Kayes-Region nahe der Grenze zwischen Mali und Senegal und in Bamako aufgesucht. Auf diese Weise hat sie durch Bilder und Interviews die Hoffnungen und Motivationen sowie die Effekte und Konsequenzen des Migrationsprozesses für die Migranten, ihre Familien und ihre jeweiligen Lebensräume untersucht.

Die Künstlerin fühlt sich geduldig in die Geschichten der Einwohner des Foyers ein, sucht würdevolle Begegnungen, schließt Freundschaften und kreiert visuelle Biografien. Nah und persönlich, aber gleichzeitig mit einer Allgemeingültigkeit, die über das Einzelschicksal hinausgeht, sucht sie nach dem Schönen in der Tradition der bildenden Kunst. Ihre Fotografien sind Zeugnisse eines selbstbestimmten Umgangs mit der Situation, die in vielen Diskursen über Migration vergessen wird. Sie dokumentieren das Foyer als einen Ort der Solidarität. Zugleich zeigen sie, dass die Art von Schutz, die das Foyer seinen Bewohnern bietet, Möglichkeiten, unabhängig zu werden und Freiheit von Familienbanden zu gewinnen - was enbenfalls ein Ziel von Migration ist - einschränken kann.

Die Ethnologin Aïssatou Mbodj, Michalons Kooperationspartnerin im ISOE Projekt, widmet ihre Forschung dem geplanten Umbau eines Foyers im Nordosten von Paris, den sie und Michalon als Basis für ihre Arbeit für die ISOE Ausstellung nahmen. Im Rahmen dieser Umstrukturierung werden die gemeinsam genutzten Räume wie auch die gemeinsame Küche untergliedert. Dies bedeutet einen massiven Eingriff in die gewachsenen sozialen Strukturen der Gemeinschaft, der das zukünftige kollektive Zusammenleben hier erschweren wird. Michalons Serie A Long Way Home ist eine fotografische Hommage an die Erinnerungsarbeit, Migrationsgeschichte und Solidarität verschiedener Generationen westafrikanischer Gastarbeiter, die nie das Foyer als ihr Zuhause definiert haben und sich trotzdem als Pariser in der Stadtgeschichte einschreiben.
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Ausstellungsansicht Foto von (c) Mike Terry

BIO

Anissa Michalon, geboren 1977, lebt und arbeitet in Brüssel und Paris. Sie graduierte von der École Nationale Supérieure de la Photographie in Arles und von dem École Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris. Im Jahr 2004 begann sie gemeinsam mit der Künstlerin Claire Soton ihre fotografische Arbeit über die Migration von Soninke von Mali nach Frankreich in Zusammenarbeit mit einigen Bewohnern eines Foyers in Montreuil (Gastarbeiterwohnheime in und um Paris). Als Stipendiaten des Villa Médicis Hors Les Murs-Programms 2006 verbrachten Michalon und Soton zwischen 2005 und 2009 lange Perioden in Mali mit den Familien der Migranten, die sie davor in Montreuil getroffen hatten. Ihre Arbeit wurde mehrmals in Frankreich und Mali ausgestellt. Im März 2013 kam ein Buch von Arno Bertina, einem französischen Autor, heraus, das auf Michalons Bildern eines jungen malinesischen Einwanderers aufbaut. „Numéro d’écrou 362573,“ veröffentlicht von Editions du Bec en l’air (Marseille), fügt Bertinas Buch und Michalons Fotos zusammen.
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